ldeaIiste gehn als Kerbborsche uff die Piste
250. Kirchweih: Weckruf der âEhemaligenâ / Kuchenverkauf fĂŒrs Heimatmuseum / Jugendliche Nachfolger angekĂŒndigt
Von Barbara Schulze
Dietzenbach * Der letzte Oktobersonntag in Dietzenbach. FrĂŒh um neun ist es noch duster und diesig. Wer jetzt nicht raus muss, dreht sich nochmal im Bett um und freut sich auf ein paar zusatzliche Stunden Schlaf. Doch die Hoffnung trĂŒgt – zumindest in den Wohngebieten von Altstadt und Westend. „Aufstehen!“, tönt es aus zahlreichen krĂ€chzenden MĂ€nnerkehlen durch die StraĂen. Begleitend dazu lĂ€sst die Musikervereinigung ihre Instrumente erschallen. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren sind am Kirchweihsonntag die Kerbborsche wieder zum traditionellen Weckruf unterwegs. Mit angegrautem Haar und etwas fĂŒllig um die Taille sind die MĂ€nner in ihrer Uniform aus schwarzer Hose, weiĂem Hemd, Strohhut und roter SchĂ€rpe zwar nicht mehr so ganz borschehaft. Dafur haben sie aber den festen Vorsatz, die alte Dietzenbacher Tradition zum 250. Kirchweihfest wieder aufleben zu lassen. Etwa 25 Kerbborsche aus den JahrgĂ€ngen 1977 bis 1982 haben unter der Regie der letzten drei „Kerbpfarrer“ Reiner Wagner, Rainer Rill und Peter Maul im JubilĂ€umsjahr zusammengefunden, um zu zeigen, welchen Stellenwert die Kerbfeierlichkeiten im Ort einmal hatten. Gab es doch abseits von dem Rummel um die FahrgeschĂ€fte eine ausgefeilte Kultur an Festlichkeiten, die fast eine Woche andauerte. Auch in diesem Jahr haben die „Ehemaligen“ schon krĂ€fftig zugelangt. Seit dem feuchtfröhlichen Antrinken am Freitagabend steht an der Kerbzentrale „Licher Pilsstube“ der Kerbbaum mit der Bobb (Puppe) namens „Hannebambel“ (wir berichteten). „Nun sinn hier e paar Idealiste, die gehn noch mal als Kerbborsche uff die Piste“, haben die Burschen im gesetzten Alter bei den Kerbreden verlautbaren lassen. Offen und ehrlich bekannten sie auch: „lhr seht, lhr liebe Leit, an uns da nagt auch schon der Zahn der Zeit!â Das wird zumindest beim Weckruff-Umzug nicht spĂŒrbar. Voller Energie sausen die „Borsche“ durch die StraĂen, brĂŒllen ihre Kommandos, singen ihre Lieder und drĂŒcken auf die Hausklingeln, um den „Kerbkoucheâ (Kerbkuchen) loszuwerden. Einem alten Brauch folgend, haben die „Borschenfamilienâ und zahlreiche KerbanhĂ€nger plattenweise „Riwwelkouche“ (Streuselkuchen), „KĂ€skouche“ und „Appelkouche“ gebacken, der nun an der HaustĂŒr verkauft wird. Mindestens „Zwofuffzichâ muss rĂŒberkommen, wenn mal wieder ein StĂŒck ĂŒber den Gartenzaun den Besitzer wechselt. Angesichts des bunten Treibens geben die aus dem Schlaf gerissenen Anwohner gerne mehr. Den Gesamterlös haben die Kerbborsche dem Heimatverein versprochen. Untersiutzt werden sie durch die Mitglieder des Vereins fĂŒr Schutz- und Gebrauchshunde, die unentwegt vom Wingertsberg ĂŒber Altstadt und Westend bis zur Kerbzentrale mitmarschieren. Seit Jahren schon engagieren sie sich fĂŒr den Erhalt der Kerbtradition. Jetzt haben sie nicht nur Kuchen gebacken, sondern verstĂ€rken die Gruppe auch stimmlich. „Wem ist die Kerb? Uns!â lautet der immer wiederkehrende Ruf. „Ihr macht ganz schön Krach heute Morgen“, stöhnt so mancher Anwohner. Nur selten aber treffen die Kerbtraditionalisten auf wirkliches UnverstĂ€ndnis „lch glaube, der versteht uns nicht“, mutmaĂt Reiner Wagner, als ein streng blickender Herr im Schlafanzug auf den Balkon eilt. Doch auch das hochdeutsche Angebot „Wir bringen Ihnen frischen Streuselkuchen“, nutzt in diesem Fall nichts. Mit der Zeit steigt die Stimmung gewaltig. Viele groĂe und kleine Dietzenbacher haben schon gewartet, die Wirte der anliegenden Kneipen stehen mit stĂ€rkenden GetrĂ€nken parat, so manche Schnapsfasche wandert vom Fenster in die mitgefĂŒhrten Bollerwagen. Beim BĂ€cker Krapp wird der Kuchenvorrat aufgefĂŒllt, Metzger Mörtel steuert Fleischwurst fĂŒr die Wandernden hinzu. Gegen Ende tauchen von ĂŒberall her weitere ehemalige Kerbborsche auf. Walter Altmannsberger etwa, der von 1949 bis 1951 dabei war. „Ich finde es richtig gut, dass die Tradition endlich wieder aulebt“, freut er sich. Beim Abschluss an der „Licher Pilsstubeâ stimmen alle krĂ€ftig in das Kerblied mit ein. Danach ist Erholung angesagt. Zumindest bis morgen, wenn nach dem Umzug zur Christuskirche gegen halb zehn „Hannebambelâ an der Kerbzentrale verbrannt wird. Dann verabschieden sich die Kerbborsche mit einer Ăberraschung. Sie prĂ€sentieren eine Gruppe junger MĂ€nner, die im kommenden Jahr die Nachfolge antreten soll, Denn: „Zeit werds fĂŒr neue Borsche!“, haben die alten bereits angekĂŒndigt.
Quelle: leider unbekannt