Repräsentanten und Würdenträger

Kerbvadder / Kerbmodder

Sie sind natürlich nicht die Eltern der Borsche, aber fühlen sich für ihre anvertraute Brut während der Kerb und deren Vorbereitungszeit für sie verantwortlich. Sie haben immer ein heimeliges Plätzchen für die ausgezehrten oder abgestürzten Borsche. Sie versorgen sie mit nahrhaftem Essen und stehen ihnen immer mit Rat und Tat zur Seite. In der heutigen Zeit übernehmen meist Wirtsleute diese anspruchsvolle Rolle. Früher haben dies teilweise die leiblichen Eltern eines Kerbborschen übernommen.

HorstBuch1980 Kerbeltern2009 2

Horst Buch (1980) und Marion und Ralf Ravensberger (2009). Allesamt waren sie Wirte in der Licher Pilsstube

Kerbparre

Es ist der geistige Anführer der Kerbborschen. Er wird während der Kerbvorbereitungszeit von den Borschen gewählt. Gut, es kommt auch vor, dass er einfach von ihnen bestimmt wird, aber wichtig ist eigentlich nur, dass es einen gibt. Der Parre hat am Freitag die Aufgabe die Kerbrede zu halten und die Kerbbobb zu taufen. In dieser Rede fasst er zusammen, was in Dietzenbach im letzten Jahr so los wahr. Dabei bekommt bestimmt jeder sein Fett weg. Zum Abschluss steigt bewaffnet mit einem Schnaps auf eine Leiter und verkündet mit folgendem Spruch die Kerb als eröffnet:

„Die Sonne geht im Osten auf und geht im Westen unter

ich binn die Laider nuffgestiehe und stei se aach wieder nunner
doch wenn dies Gläschen nicht zerbricht
feiern wir unser Kirchweih nicht.

Hoch ist der Himmel, klein ist das Loch
dick ist der Stempel, anoi muß er doch“

laider1948

Arthur Keim (1948)

Dann trinkt er das Gläschen aus und zerschmettert es. Er steigt von der Leiter und stimmt zusammen mit den Kerbborschen das Dietzenbacher Kerblied an. Während der Kerb leitet er die Aktionen der Kerbborschen Zum Abschluss der Kerb findet Dienstags traditionell die Kerbverbrennung statt. In diesem Rahmen hält der Parre die sogenannte Grabredd. In dieser Rede lässt er die Kerb Revue passieren und erzählt so einige Anekdoten. Falls es Kerbborschen-Anwärter für das nächste Jahr gibt, werde sie mit Klobürste und Wasser eingesegnet. Anschließend trägt der Parre die Dietzenbacher Version der Bergpredigt vor. Zum krönenden Abschluss richtet er seine weisen Worte an die Kerbbobb. Diese wurde bereits am Nachmittag vom Baum geholt und sieht bereits auf dem „Scheiterhaufen“ wartend, ihrem Ende entgegen. Er zündet den Scheiterhaufen an und alle Kerbborsche weinen um das Ende der Kerb.

KerbbobbVorDerVerbrennung verbrennung2009

vorher, nachher

Parre1979 Parre2004 Parre2006 Parre2007 Parre2008 DieParre2012

Kerbparre von Rainer Rill(1979), Rainer Rill, Peter Maul und Reiner Wagner(2004), Markus Rill (2006), Benny Heidenreich (2007), Manuel Sundt (2008), Uwe Schmedemann und Marco Krebs (Fahnenjahrgang 2012)

Bembelträger

Der Bembelträger oder früher Munschank (es können bei großen Gruppen auch mehrere sein) ist verantwortlich für das Wohlbefinden auf Touren oder „Außen-Einsätzen“. Er führt stets einen gut gefüllten Bembel mit sich. Seine wichtigste Aufgabe ist es, dass dieser nie leer wird. Das bedeutet, dass z.B. bei der Kneipentour der Wirt, bei dem man sich befindet, angehalten wird, den Bembel vor dem Verlassen des Wirtshauses aufzufüllen.

Fahnenträger

Er trägt die Fahne des Kerbborschenjahrgangs, die z.B. das Motto des Jahrgangs unterstreicht.

Ehrenkerbborsch

Der Ehrenkerbborsch oder der Schirmherr wird von den Kerbborsche zusammen mit dem Vereinsvorstand ernannt. Es ist in der Regel ein Mann, der dem Verein oder der aktuellen Kerb einen großen Dienst erwiesen hat. Oft wurde diese Ehre z.B. dem amtierenden Bürgermeister verleihen, sofern er sich für diese Tradition mit allen Kräften einsetzt.

Der zu Ehrende muss an der Kerbansprache in schwarzer Hose und weißem Hemd erscheinen. Der Kerbparre ehrt ihn in einer kurzen Ansprache und legt ihm den traditionellen Hut und eine grüne Schärpe an. Anschließend wird er vom Kerbparre gesegnet. Während der Kerbzeit sollte er sich mit diesen Kerbattributen schmücken, dass es auch ein jeder sieht.

Gefolge

Das Gefolge besteht aus der Zischeunern, dem Bären und seiner Dompteuse. Das Gefolge unterstützt die Kerbborsche bei ihren Aktivitäten. Gerade beim Frühstück einholen spielen sie eine Hauptrolle

Zischeunern

Die Dietzenbacher hatten früher angeblich dunklere Haut als die Menschen in den anderen Dörfern und dazu schwarzes Haar. Das soll der Grund dafür sein, dass die Dietzenbacher von den Menschen aus den Nachbardörfern „Zischeuner“ tituliert wurden. Ein weiterer Grund könnte sein, dass Dietzenbach zusammen mit Dudenhofen die einzigen protestantischen Dörfer im damaligen „Rod-Gau“ (Ein Untergau des Main-Gau) waren. Für die Katholiken waren die Protestanten „Heiden“ (Ungläubige). Und Heiden wurden damals mit Zischeunern in einen Topf geworfen. Übrigens lautet das dialektische Wort für Heiden in unserer Gegend „Hare“. Auch das ist eine Titulierung für uns Dietzenbacher. Es gibt noch viele Geschichten zu diesem Thema. Aber lange Rede kurzer Sinn: Wir Dietzenbacher haben eine gewisse Affinität zu dem Wort Zischeuner.

Die Kerbborsche haben seit nachweislich 1948 in ihrem Gefolge eine Zischeunern. Der Grund dafür könnte auch diese Sage sein:

“Zigeuner hat es Ende des 16. Jahrhunderts auch nach Umstadt in den Odenwald verschlagen. Dort lasen die Frauen den Dorfbewohnern die Zukunft und die Männer überfielen als Banden das eine oder andere Gut. Eines Tages rüsteten sich die christlichen Dorfbewohner und griffen nachts die Zigeuner an. Eine junge großgewachsene Zischeunern namens „Henni“ konnte zusammen mit ihrem Esel dem Gemetzel entkommen. Durch den Wald kam über Urberach auf einen Hügel. Dort lebte sie alleine viele Jahre. Sie kam zum Zukunftslesen und Heilen regelmäßig nach Dietzenbach. Die Menschen achteten die charismatische Zischeunern sehr und gaben ihr für ihre Weissagungen Essen und Dinge für das tägliche Leben. Aber keiner wusste wo sie lebte. Bis ihr eines Nachts der hiesige Förster folgte. Bald darauf kannten die Dietzenbacher ihren Lagerplatz. Sie besuchten die Zischeunern oft, holten Rat und versorgten sie. Aber eines Tages war sie verschwunden. Noch viele Jahre später sprachen die Menschen, die den Hügel aus der Ferne sahen, von dem Berg auf dem die Hexe wohnte. Seitdem trägt der Hügel den Namen Hexenberg.

Quelle: Zusammenfassung aus einem Artikel des Langener Wochenblatts Nr. 18 vom 2. Mai 1862

Wahrscheinlich angelehnt an diese Sage läuft in Dietzenbach die Zischeunern am Kerbsamstagmorgen mit den Kerbborsche durch die Altstadt. Dort erbettelt sie das Frühstück für sich, die Kerbborsche und das restliche Gefolge. Die Zischeunern begleitet die Kerbborsche auch während der Kerbzeit bei den Touren über den Kerbplatz.

Bär und Dompteuse

Der Bär symbolisiert die früher auf Kirchweihfesten üblichen Tanzbären. Dass der Bär nicht einfach so frei herumläuft und die Dietzenbacher in Angst und Schrecken versetzt, wird die Dompteuse auf das Tier aufpassen. Auf dem Kerbplatz freuen sich die kleinen Kerbbesucher immer gerne an einigen Kunststücken (Tanzen, Süßigkeiten verteilen…), die der Bär unter Aufsicht der Dompteuse aufführt.

 

Zigeunerin1948bär1948 Zigeunerin2009 Zigeunerin2010

Zischeunern und Bär 1948, Philip Woyke/Marwin Lux (2009) und Lisa Sundt/Jonas Kramer (2010)