Bau der Kerbbobb und Vorfreude auf die Kerb

Verworrenes blaues Haar, eine knallrote Hose, ein kariertes Hemd – die stumme Gestalt, die reglos auf einem Holzstuhl sitzt, legt einen gewagten Stil an den Tag. Was eigentlich in den Altkleidercontainer gewandert wĂ€re, findet bei den Kerbborsche und KerbmĂ€dscher noch einmal Verwendung fĂŒr ihr jĂŒngstes Jahrgangsmitglied: die Kerbbobb (fĂŒr Dialektfremde: Kerbpuppe). Die Jungs und MĂ€dels stehen um ihre Mitstreiterin herum und beĂ€ugen sie aufmerksam. „Ich glaube, da kann noch was hin“, sagt KerbmĂ€dsche Dominique Schohl und deutet auf den Rumpf. Nebendran steht ein Strohballen, an dem sich Kerbborsch Tim Gattinger bedient und noch einmal eine Handvoll in das Hemd stopft. „Sie hat zwar dicke Knie, aber sonst sieht sie gut aus“, meint er. Der Jahrgang nickt zufrieden. In blauen Pullovern stehen einige „Alt-Kerbborsche“ dabei, die in den vergangenen Jahren selbst schon Teil der Tradition in SchĂ€rpe und Hut gewesen sind. Vor ihnen muss sich die Bobb, die am Kerbfreitag ihren Platz im Wipfel des Kerbbaumes finden wird, besonders in Acht nehmen. Denn traditionellerweise klauen Ă€ltere JahrgĂ€nge dem Nachwuchs die Kerbbobb und fordern eine Auslöse. Doch noch herrscht eitel Sonnenschein. „Alt-Kerbborsch“ Markus Rill, der seinen Hof fĂŒr den Bau der Puppe zur VerfĂŒgung gestellt hat, hĂ€lt nĂŒtzliche Tipps bereit. Einen Maleranzug mit Stroh zu fĂŒllen, erleichtert die Arbeit. Der 37-JĂ€hrige war im Jahr 2005 selbst ein SchĂ€rpentrĂ€ger und schwelgt in Erinnerungen: „Da drĂŒben in der Werkstatt hat die Tradition wieder angefangen.“ Zwar hatte es in der jĂŒngeren Vergangenheit von 1978 bis 1982 Kerbborsche gegeben, doch ist die Tradition danach wieder eingeschlafen. 2004 hatten sich die Borsche aus dieser Zeit, zu denen auch Rills Vater Rainer gehört, noch einmal ein Herz gefasst und einen Jahrgang gestellt. Mit dem Erfolg, dass sich seitdem (mit zwei Ausnahmen) wieder Jahr um Jahr neue junge Menschen finden, die die alte Tradition lebendig werden lassen. Apropos lebendig: Noch ahnt die Kerbbobb wohl nicht, dass ihre Lebenszeit nur von kurzer Dauer sein wird. Denn am Kerbdienstag wird sie wĂ€hrend der „Grabrede“ verbrannt werden. „Symbolisch nimmt sie damit alle SĂŒnden des Jahrgangs, die wĂ€hrend der Kerb anfallen, mit ins Jenseits“, erlĂ€utert Vereinsvorsitzender Gerolf Baum diesen Brauch. Die Grabrede sowie die Ansprache wird „Kerbparre“ Tim Gattinger halten. WĂ€hrend bei der Eröffnung (Kerbfreitag, 19.30 Uhr vor der GaststĂ€tte Harmonie) die lokalen Ereignisse und die Politik aufs Korn genommen werden, berichtet der Parre an der Grabrede von jenen Geschehnissen, fĂŒr die die Kerbbobb bĂŒĂŸen muss. Deren Name hĂ€lt der Jahrgang noch traditionell bis zur Ansprache geheim und verrĂ€t ihn erst dann der Öffentlichkeit. Der Jahrgang schmĂŒckt bis zum große Fest noch die Altstadt mit Fahnen und den Kerbplatz mit Wimpeln fĂŒr den richtigen Festcharakter. Der Kerbverein teilt außerdem mit, dass in diesem Jahr die Route fĂŒr den traditionellen Weckruf am Kerbsonntag geĂ€ndert worden ist und sich nun mehr auf den Altstadtkern konzentriert. Die Tour startet um 9 Uhr in der Rathenaustraße (Höhe Blumen Hartmann) und fĂŒhrt hinunter ĂŒber Landwehrstraße, Schulstraße, HĂŒgelstraße, Bahnhofstraße, Am Stadtbrunnen, Hammannsgasse, DarmstĂ€dter Straße, Borngasse, Brunnengasse, zurĂŒck auf die DarmstĂ€dter Straße, Bergstraße, In den SpeyergĂ€rten, SchĂ€fergasse und endet in der Bahnhofstraße vor dem Blumenbinder Brokmeier. Dort werden die ĂŒbrigen StĂŒcke ab 12 Uhr stationĂ€r zusammen mit den „KerbkrĂ€nzen fĂŒr daheim“ in Kooperation mit Arne Brokmeier verkauft.
Wegen der Auf- und Abbauarbeiten fĂŒr die Kerb kommt es bereits ab morgen zu Behinderungen und teilweise zu Straßensperrungen. Das teilte die Stadt mit. Betroffen sind die Landwehrstraße zwischen Harmonieplatz und Dietrich-Bonhoeffer-Schule), Teile der Rathenaustraße und der Schulstraße, die SchĂ€fergasse und die SpeyergĂ€rten. Die Zufahrten bis zum VeranstaltungsgelĂ€nde sind fĂŒr Anlieger freigegeben. Außerdem kann die Bushaltestelle Feuerwehrmuseum ab Freitag, 28. Oktober bis Dienstag, 2. November, nicht angefahren werden. Ersatzweise hĂ€lt die Linie OF-56 an den Haltestellen „Brunnenstraße“ (in der Lindenstraße) und „Am Stadtbrunnen“ (in der BabenhĂ€user Straße). FĂŒr den Schulbus können die FahrgĂ€ste auf die Haltestellen Brunnenstraße und Ernst-Reuter-Schule ausweichen. Um die ordnungsgemĂ€ĂŸe MĂŒllentsorgung zu gewĂ€hrleisten wurden Sammelstellen fĂŒr die AbfallbehĂ€lter eingerichtet. Die Anwohner können morgen ihre Altpapiertonnen und am Freitag, 28. Oktober, ihre Leichtverpackungs- und RestmĂŒlltonnen an einer der acht Sammelstellen (Bahnhofstraße/Ecke SchĂ€fergasse, Rathenaustraße/Ecke Bahnhofstraße, DarmstĂ€dter Straße/Ecke SchĂ€fergasse, Ostendstraße/ Ecke Schulstraße, Landwehrstraße in Höhe Hausnummer 31 an der Absperrung, In den SpeyergĂ€rten/Ecke Bergstraße, Löwenstraße/Ecke Rathenaustraße und Löwenstraße/Ecke Schulstraße) zur Leerung bereitstellen.

Quelle: Offenbach-Post, 25.10.2022

Die Kerbbobb und ihre Erbauer.