Erzählcafé: Kerb mit Kerbburschen (13.10.2002)

 

Erzählcafé: Kerb mit Kerbburschen

Geschichte in erzählten Geschichten aufrollen und miterlebbar machen

Dietzenbach (sago) – Auf gut hessisch ging es im Restaurant am Wingertsberg zu und zumeist dietzebächerisch dazu. Aber die geübte Chronistin konnte doch schon einiges verstehen, was die Gäste von Reiner Wagner im Erzählcafé zu berichten hatten. Denn dieses Mal war das Thema „Die Kerbborschen von Dietzenbach“. Mit einer kleinen Ausnahme: Hedi Weilmünster fügte die Sicht der Frauen auf die Kerb hinzu. Zum Glück, wie sich später zeigte, denn nur so konnte man sich als Beobachter vorstellen, was das Besondere des alljährlichen Höhepunktes im Orte war: der Tanz im alljährlich neuen Kerbkleid in sieben Dietzenbacher Tanzsälen und wahrscheinlich das gegenseitige Anbandeln dabei.
Schon tagelang bereiteten die Frauen, Mütter das große Ereignis mit Hausputz, Friseurbesuch und Großeinkauf beim Bäcker und Metzger vor: Denn zur Kerb kamen viele Freunde und Angehörigen von auswärts zu Besuch. Die ausgewählten Kerbborschen haben dies vermutlich nur am Rande miterlebt, denn ihre Sicht der Dinge war stark vom Alkoholkonsum beim Kerbprogamm von Freitag (Kerbbaum schlagen) bis Mittwoch Kerbbeerdigung) geprägt. Doch genaueres schilderten die Kerbborschen auf dem Plenum: Peter Maul (Kerbborsche 1981 und 1982), Stefan Glück (1982), Walter Rill und als ältester ehemaliger Kerbborsch: Arthur Keim.

 

op 20021013 1

Anschaulich erzählt der älteste anwesende Kerbborsch Arthur Keim von seinen Erlebnissen während der Kerb. Fotoalben von damals werden herumgereicht.

 

„Die erst Kerb nach ‚m Krieg, da haben sich die Leit gefreut, dass es Wieder aufwärts geht.“ Und Stefan Glück freute sich, dass „so viele Alkoholkollegen von damals“ im Erzählcafé anwesend waren. Die Kerb von 1982 war die letzte in Dietzenbach, die noch mit Kerbborschen gefeiert wurde. Auf dem Programm stand am 29.10 desselben Jahres: „Treffen der Kerbborschen um 15 Uhr beim Kerbvadder Buch zum  schlagen des Kerbbaums. Stellen des Kerbbaums gegen 17 Uhr, Kerbansprache durch den Kerbpfarrer Peter Maul um 20 Uhr vor der Licher Pilsstub. Anschließend Kerbeinklang-Feier“, was sicher so viel hieß, wie den ersten Rausch zu setzen. Samstag, den 30. 10. stand das Treffen um 14 Uhr am Stadtbrunnen zum Kerbrundgang auf dem Programm. „Gegen 16 Uhr Kneippkur durch alle Dietzenbacher Wirtshäuser. Gegen 21 Uhr Stimmungseinlauf mit Polonaise auf dem Kerbball in der TG-Turnhalle – Endstation“ lautet es im Programm. Vermutlich schliefen die 14 Kerbborschen in dieser Nacht kaum, bereits um 9 Uhr am Sonntag ging es für die jungen Männer im Ort weiter: Sie verteilten den von ihren Müttern gebackenen oder gekauften Blechkuchen von Haus zu Haus, um etwas Geld für ihre Zeche zu sammeln.

„Weckruf mit Ribbelkuchen“. Zumeist gab es von den Dietzenbacher einen Schnaps gratis dazu oder einen Rollmops, wenn die Hausfrau den Zustand der Jungs gut einschätzte. „Mittagessen beim Kerbvadder, abendlicher Umtrunk in der Licher Pilsstub“, lautet es weiter im  Programm von 1982.

Daraufhin folgte der Montag: „Ab 10 Uhr Frühschoppen und Frühstück einholen unserer Truppe. AbendsKneippkur mit Endstation Kerbvadder“. Der Dienstag galt der Beerdigung der Kerb: Für einen Scheiterhaufen wurde Holz gesammelt, ein Trauerzug organisiert und die Kerbbob, die all die Tage den Kerbbaum geschmückt hatte verbrannt. Natürlich fehlte an diesem 5. Tag der Kerb der Alkohol ebenso wenig. Erst der Mittwoch brachte ein Ausnüchterungstreffen.

Viele Teilnehmer erinnerten sich noch an das Dietzenbacher Kerblied, das mit den Worten „es welken alle Blätter, sie fallen alle ab“ an die kühle Jahreszeit der Dietzenbacher Kerb erinnert.

Wer das Lied bis zur diesjährigen Kerb am kommenden Wochenende lernen möchte wendet sich vorzugsweise an Peter Maul: Er hatte zum Erzählcafé zahlreiche Kopien es Liedes dabei, damit der ganze Saal nochmals wie anno dazumal anstimmen konnte.

 

Quelle: Offenbach Post 13.10.2002 (Arthur Keim)

 

opxx 1

Quelle: Arthur Keim