Notizbuch der Woche
Da hört der Spaß auf
Von Christof Zöllner
Wenn aus Spaß Ernst wird, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Und mancher vergießt sogar ein Tränchen ob der unverhofften Gefühlswende. So geschehen bei der jüngsten Kerb, die bei eisigen Temperaturen in der Altstadt über die Bühne ging. Um im Bild zu bleiben: Den Bewahrern der Dietzenbacher Tradition war doch glatt der Hauptdarsteller abhanden gekommen. Wie bereits in der „Randnotiz“ am Mittwoch beschrieben, wurde die auf dem Kerbbaum thronende Puppe, im hiesigen Dialekt „Bobb“ genannt, gestohlen. Das klingt zwar lustig, ist es aber nicht. Zumindest nicht für die Jungs vom Kerbverein und der Feuerwehrvereinigung, die sich seit diesem Jahr auch offiziell gemeinsam um die Kerb kümmern. Denn es gab reichlich Zoff. Viel hätte nicht gefehlt, und die Polizei hätte nach dem Bobb-Dieb fahnden müssen. Denn als sich am Dienstagabend etwa 80 Neugierige (viel mehr als im vergangenen Jahr) an der alten Feuerwache versammelt hatten, um Abschied von der Kerb zu nehmen, fehlte die Kerbbobb namens Klaus-Bärbel, das Weichei, noch immer. Und sie warteten und warteten… Obwohl sie bereit gewesen sein sollen, die Bobb ordnungsgemäß auszulösen, verbrannte der Dieb diese in seinem Versteck schließlich selbst. Was hilft es, wenn sich nicht alle an die ungeschriebenen Gesetze der Kerb halten? Der Entführer stammte nämlich nicht – wie sonst üblich – aus einem Nachbarstädtchen, sondern aus den eigenen Reihen. Ein unverzeihlicher Frevel, der den Vorstand nach einer eigens einberufenen Sondersitzung zur einzig möglichen Entscheidung zwang: Ausschluss des Abtrünnigen.
Dem Zusammenhalt der Traditionswächter soll das bösartige Ereignis übrigens nicht geschadet haben: Die traurigen Kerbpfarrer konnten ihre Rede doch noch halten. Und statt der Puppe wurden dem Feuer die Kerbhüte übergeben. „Das ist auch ein alter Brauch“, sagte Kerbvereins-Vorsitzender Peter Maul, der trotz der aufreibenden Tage wieder optimistisch nach vorne blickt. So könnten sich im nächsten Jahr wieder neue Kerbborschen beteiligen, die sich freilich schon jetzt hinter die Ohren schreiben sollten, niemals die eigene Bobb zu klauen. Sonst hört der Spaß auf.
Offenbach Post 03.11.2012