Singen, Schnaps und Streußelkuchen
Kerbborschen servierten einigen Dietzenbachern das Frühstück / Nachwuchs steht schon fest / Derbe Zelt-Olympiade
Dietzenbach (ing) * Es lebe die Kerb, es lebe die Tradition! Nach 22 Jahren waren im Jahr 2004 die Kerbborschen wieder aktiv, und auch in diesem Jahr sind sie wieder angetreten, um den Dietzenbachern allerlei Spaß und Schabernack zu servieren. 16 an der Zahl; Nachkommen fürs nächste Jahr sind teilweise schon gesichert. Nachdem am Freitag der Kerbbaum mit Selleriekranz und Kerbbobb „Schlabbesebbel“ vor der Licher Pilsstube aufgestellt wurde, folgten Gottesdienst und Ansprache von Kerbpfarrer Markus Rill. Dessen Vater, Drechsler Rainer Rill, einst selbst „Kerbborsche“ wie es in Dietzenbach heißt, steckte seinen Sohn mit dieser Begeisterung an. „Ich finde die Tradition toll“, meint Rill junior. Und Kerbborsche Gerolf Baum ergänzt: „Dietzenbach hat ein paar Traditionen zu wenig. Heute kann ich als Kerbborsche beweisen, dass ich stolz auf die Stadt bin.“ Bis der Trubel allerdings losging, mussten einige Hürden genommen werden: Rund eineinhalb Monate vor dem Kirchweihfest trafen sich die Jungen im Alter von 18 bis 24 Jahren, um mit den Vorbereitungen zu beginnen. Sponsoren suchen, die 2006er-Fahne von Künstler Karl Heinz Wagner organisieren und die Kerbflagge herausgekramen. Ein weiteres Symbol des Dietzenbacher Frohsinns: Der fünf Liter Äbbelwoibembel mit Dietzenbacher Wappen und dem Schriftzug „Kerbborschen 2006″. um beim Kirchweihfest erkannt zu werden, trugen die Jungs schwarze Hose, weißes Hemd, Kreissäge (Strohhut) und nicht zu vergessen die knallrote Schärpe. Der Wanderpokal für die Kerbzelt-Olympiade am Samstag war so neu wie die Veranstaltung selbst. Die Idee hatten sich die 16 Burschen vor einem halben Jahr bei ihren Kollegen aus der Partnerstadt Neuhaus abgeschaut. Vier Teams traten an. Mit dabei die Kerbborschen, der Nachwuchs von 2007, ein Team aus Neuhaus sowie das „Darmstädter Stübl“. Die Teilnehmer mussten einiges vertragen: die Disziplinen waren teilweise hochprozentig. Harmlos begann es mit Weizenbier – ein Glas sollte innerhalb kürzester Zeit ordentlich gefüllt und schnell ausgetrunken werden. In Runde zwei galt es, einen Apfel aus einem mit Wasser gefüllten Behälter mit dem Mund herauszufischen und ihn in einen zweiten Eimer zu transportieren. Die Gaudi war groß, als einige dabei den ganzen Kopf unter Wasser steckten, weil sie den Apfel nicht zu fassen kriegten. Nichts für schwache Mägen war nachfolgende Disziplin: Ein Bier am besten „auf Ex“ trinken und 500 Gramm Kartoffelsalat hinterher essen. Die Verschnaufpause war nur kurz: Ein großes Glas Äppler, in dem ein Glas Persiko stand, wartete darauf, mit Sangria-Strohhalmen ausgetrunken zu werden. Nägel mit der schmalen Seite eines Beils in einen Holzbalken zu hauen, gelang dann nur noch denen, die noch einigermaßen klar sahen. Den Spaß-Wettkampf entschieden schließlich die Kerbborschen für sich. Danach ging es an den Schießstand, um Schmuck für die Kreíssägen zu schießen und anschließend auf eine zünftige Kneipentour. Auf dem Rummel ging der Betrieb gegen Abend erst richtig los: Schiffschaukel, Karussell und Autoskooter waren gut besucht. Viel Zeit zum Ausnüchtern blieb nicht: Um 9 Uhr gestern Morgen war der Weckruf angesagt. Mit Käse- und Streuselkuchen im Bollerwagen zogen die Burschen durch die Stadt; begleitet vom Ordnungsamt und einem alten Feuerwehrauto (Opel Blitz), das sich bemühte, mit dem Signalhorn die Leute aus dem Bett zu holen, während die Jungs mit heiseren Kehlen ihre Ware anpriesen. Auch die Mitarbeiter vom Ordnungsamt machten via Mikrofon Werbung für die 16 Jungs. Mit Erfolg: Mancher Dietzenbacher war noch im Schlafanzug, spendete aber bereitwillig mehr für den Kuchen als die geforderlen zwei Euro. Einige spendierten Schnaps und so stieg der Alkoholpegel stetig. Die Kameraden aus Neuhaus hielten sich lieber am Bier fest; der Äppler war nicht ihr Ding. Die Tour endete in der Licher- Pilsstube. Treffpunkt der Kerbborschen, wo später Bembel und Pokal ihren Platz finden werden.
Auch wenn die Kerbborschen schon weg waren, ging auf dem Rummel am Harmonieplatz der Betrieb munter weiter.
Noch im Schlafanzug waren manche Dietzenbacher, die den Weckruf der Kerbborscheri vemommen hatten und Käse- oder Streuselkuchen abkauften.
So richtig den Kopf gewaschen haben sich die Jungs beim Apfelfischen während der Kerbzelt-Olympiade. Ein Wanderpokal war der Gewinn.
Fotos (3): Zöllner
Quelle: Offenbach Post 30.10.2006