Mehr als nur Statistinnen (12.10.2019)

NOTIZBUCH DER WOCHE


Mehr
als nur
Statistinnen
VON LENA JOCHUM

Seien es politische oder gesellschaftliche Teilhabe, Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten oder die Gleichstellung von Mann und Frau in der Ehe, seit Mitte des 19. Jahrhunderts kĂ€mpfen Frauen fĂŒr ihre Rechte, fĂŒr Anerkennung und Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, und das in vielerlei Hinsicht. Dabei haben sie viel, aber lĂ€ngst nicht alles erreicht. So machen etwa die andauernde Debatte um zu wenige Frauen in FĂŒhrungsposition oder auch um SchwangerschaftsabbrĂŒche deutlich, dass der Kampf fĂŒr Chancengleichheit und fĂŒr weibliche Selbstbestimmung lĂ€ngst nicht ausgefochten ist.
In Dietzenbach ist er nun aber zumindest ein gutes StĂŒck vorangegangen. Seit diesem Jahr nĂ€mlich dĂŒrfen offiziell auch Frauen Teil des Kerbjahrgangs sein, dĂŒrfen gleichberechtigt neben den Kerbborsche als KerbmĂ€dscher auftreten, nicht mehr nur Statisten-Rollen ĂŒbernehmen. Das ist gut so, sehr gut sogar, und definitiv lĂ€ngst ĂŒberfĂ€llig gewesen. Erschreckend, weil es trotz aller Meilensteine, die den beschwerlichen Weg der Frau durch die vergangenen Jahrhunderte pflastern, nach wie vor, auch noch heute, Stolpersteine gibt, die ihr vor die FĂŒĂŸe geworfen werden.
100 Jahre ist es her, dass Frauen erstmals ihre Stimme bei der Wahl der Nationalversammlung abgeben und als Kandidatinnen antreten dĂŒrfen. 1949, vor 70 Jahren, wird die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Grundgesetz verankert. Seit 1962 dĂŒrfen verheiratete Frauen ein eigenes Bankkonto eröffnen, 1969 wird ihnen die volle GeschĂ€ftsfĂ€higkeit zugesprochen, seit 1977 sind sie nicht mehr verpflichtet, den ehelichen Haushalt zu fĂŒhren. Mit Heide Simonis wird 1993 erstmals eine Frau MinisterprĂ€sidentin eines Bundeslandes und seit 2005 hat Deutschland sogar eine Bundeskanzlerin, Angela Merkel.
Und nur 14 Jahre spĂ€ter ist es dann auch beim Dietzenbacher Kerbverein angekommen: Frauen können, sollen, mĂŒssen tatsĂ€chlich ganz genauso behandelt werden wie MĂ€nner. auf dem politischen Parkett, im beruflichen Kontext, im partnerschaftlichen Miteinander und ja, genau, auch und eigentlich erst recht im Kerbverein. Der nĂ€mlich sollte gerade in Zeiten wie diesen, in denen viele Vereine geplagt sind von Nachwuchssorgen, Mitgliederschwund und mangelndem ehrenamtlichem Engagement, dankbar sein fĂŒr jedes Mitglied, das sich aktiv einbringt, ob nun Mann oder Frau oder was auch immer. In diesem Sinne sei den MĂ€dscher ein großer GlĂŒckwunsch ausgesprochen zu einem Erfolg, der viel zu lange auf sich warten.

Quelle: Offenbach Post 12.10.2019