„Dietzebächer Kerb”
Hedi Weilmüster erzählt über die alten Zeiten…
„Wenn wir so zurückblicken, wie es früher war,
gibt’s keinen Vergleich mehr, ganz klar.
Die „Kerb“ war der höchste Feiertag im Ort,
es blieb keiner daheim, drei Tag ging’s fort,
aber bis es soweit war mit de „Kerb“, oh jeh,
in jedem Haus hat man die Frauen beim „Kerbputz“ geseh‘,
denn viel Verwandtschaft hatte sich zum Besuch angemeld.
Es ganze Haus wurde uff de Kopp gestellt.
Für die Weibsleut war’s in der „Kerbwoch“ auch eine Tour,
denn „in der Reih“ sein mußte die Frisur;
schon ganz früh im Morgengraun
standen in Schlangen beim Friseur die Frau’n.
Am Kerbsamstag ging’s dann beim Bäcker hoch her,
Bleche voll Kerbkuche wurden heimgetragen, der
schmeckte sehr.
Auch beim Metzger ging es rund,
ganze Berge Fleisch, ach wieviel Pfund
wurden an Kerb so verkonsumiert.
Aber der „Kerbochs“ wurde vor’m Schlachten erst durch’s Dorf geführt.
Samstagabend ging’s dann schon zum Tanzen fort,
bei 3000 Einwohner waren sieben Säle im Ort;
man konnte sich in der Turnhalle, im „Löwen“ und
im „Milchhof“ zum Tanz einfinde
ebenso auf dem Wingertsberg, in der „Harmonie“,
„Kron“ und „Linde“.
Und alle Säle waren gestoppte voll,
die „Kerb“ wurde angetrunken, es war toll,
natürlich bekamen die Frauen, lange vorher schon
ein neues Kerbkleid, dies war Tradition.
Sonntags nachmittags mit Kind und Kegel es auf den Kerbplatz ging;
an jedem Wirtshaus ein ausgestopfter „Kerbborsch“ hing;
Ein Kerbbaum war natürlich auch gesteckt,
und die „Kerbborsche“ hatten eine „Kerbredd“
ausgeheckt; doch dies war für manche nicht immer ’ne Freud
denn „auf die Schipp“ genomme hawe se die Leut.
Sonntags abends waren Säle und Wirtschafte wieder voll bis „hinnewitt“.
Rippche und Kraut gab’s und Äppelwoi nach alter Sitt‘.
Das „Kerblied wurde gesunge, Stimmung herrschte bis morgens früh;
gar mancher konnte net mehr grad heimgieh.
„Kerbmontag“ in der Früh zogen die „Kerbborsche“
dorch die Stroße, sie sangen mit rauhem Hals und hawe geblose
und sammelten Geld in de Geschäfte un bei de Leut
un hawe sich dann uff de Frühschoppe gefreut.
Da war was los in de Wirtshäuser, ei-ei-ei,
auch Auswärtige kamen in Massen herbei;
beim „Fischer“, „Hofferberth“ in der „Wolfschlucht“ und bei’m „Deckmann“
traf man viele Kerbgäst‘ bei Essen und Trinken an.
Für Kinder natürlich der „Kerbplatz“ die Hauptsach‘ war
und ganz besonders das „Kerbgeld“, klar.
Am Harmonieplatz einige Zuckerständ‘ warn,
man ist Kinderkarussel und Schiffschaukel gefahr’n.
Dienstagabend sind die Leut‘ wieder auf den Kerbplatz gerennt,
denn dort wurde nun der „Kerbborsch“ verbrennt;
das bedeutet, die „Kerb“ wird begraben nach altem Brauch,
und beerdigt wurde der „Borsch“ dann auch;
und nach alter Dietzenbacher Sitt‘
sangen die Leute das „Kerblied“ mit.
„Es welken alle Blätter“, so fing an das Lied
„Sie fallen alle ab uff die „Kerb“ es weiter gieht;
es hatte sechs Strophen, die Melodie war en de Reih,
und danach war dann die „Kerb“ vorbei.
Quelle:
Dietzenbach – Anno dazumal
Hedi Weilmüster