Unsere Rituale

Im Laufe der Jahre haben sich die Kerbborsche viele Rituale ausgedacht, alt hergebrachte fallen gelassen oder neu fĂŒr sich entdeckt. In der heutigen Zeit gibt es Rituale, die von den BĂŒrgern gerne gesehen werden und welche, die sich fĂŒr das „Überleben“ der Kerbborschetradition als wichtig herauskristallisiert haben.

Das Binden des Kerbkranzes

Der Kerbkranz hieß frĂŒher Jungfernkranz und wurde von den Borsche fĂŒr ihre Liebste gebunden und z.B. auf dem RĂŒcken an einer Heugabel zum Haus ihrer Eltern getragen. Das war so etwas wie ein Heiratsantrag und das Einholen der Erlaubnis um ihre Hand anhalten zu dĂŒrfen. Zu einer spĂ€teren Zeit wurde der Kerbkranz von den Kerbwirten an ihren WirtshĂ€usern angebracht. Damit zeigten sie an, hier feiern wir die Kerb „Uns iss die Kerb“. Heutzutage hĂ€ngt ein großer Kranz unterhalb der Krone des Kerbbaums und bildet das Dach fĂŒr die Kerbbobb, kleinere KrĂ€nze zieren eure Kerbzentrale und die GaststĂ€tte der Kerbeltern auf Lebenszeit.

20141029_202438_lowres

Der Kerbkranz wird wie frĂŒher von MĂ€nnerhand aus Selleriekraut gewickelt und mit bunten BĂ€ndern behĂ€ngt. Frauen dĂŒrfen dabei niemals Hand anlegen!

Kerbbobb bauen

Die Kerbbobb ist das Heiligtum eures Kerbborschejahrgangs und steht unter ihrem Schutz. Sie wird immer am Samstag – 2 Wochen vor der Kerb gebaut. Dies ist reines MĂ€nnerritual!

20141018_172119_lowres

Nach der Fertigstellung wird die Kerbbobb im Dunkeln unter Verschluss gebracht, um sie vor fremden Einblicken zu schĂŒtzen. Ihr Name wird bis zum Kerbantrinken geheim gehalten.

Kerbbaum holen und stellen

Seit ca. 1950 ist der Kerbbaum wieder das Wahrzeichen der Kerb in Dietzenbach. Mittags am Kerbfreitag fahren die Kerbborsche, Altkerborsche, erfahrenen Helfer und dem „1. Dietzenbacher Baumstellregiment“ in den Wald um eine möglichst gerade gewachsene Fichte zu fĂ€llen. Nach diesem körperlichen Akt wird das beliebte „HĂ€ngebauchschwein“ getrunken. Der Kerbbaum wird dann z.B. mit Traktor und Rolle und viel, viel Gesang durch die Stadt zum Aufstellplatz gebracht. Dort angekommen wird der Baum mit dem Kerbkranz geschmĂŒckt und die Kerbbobb findet ihren angemssenen Platz unterhalb des Kranzes. Der Baum wird zusammen mit allen Helfern mit Hilfe von Stangen, Leitern und Seilen aufgestellt. Traditionell gibt es nach der schweren Arbeit ein gepflegtes Bier und leckere Erbsesupp fĂŒr alle Beteiligten.

img_3624_lowres26102012156_lowres

Kerbansprache

Die Kerbansprache eröffnet die Kerbzeit. Hierzu versammeln sich die Kerbborsche in ihrer Tracht mit Fahne, Bembel und Gefolge vor der Kerbzentrale. Jeder erhĂ€lt vom Kerbvadder einen gefĂŒllten Henkelmann. Der Kerbparre hat seine Bibel und sein „Weihwerkzeug“ dabei, denn er wird jetzt die Kerbansprache halten. In dieser Ansprache werden traditionell lokale DitzebĂ€scher Begebenheiten auf die Schippe genommen. Nach der Rede wird die Kerbbobb getauft.

img_3669_lowres

Am Ende der Kerbansprache folgt ein festgelegtes Ritual. Der Parre nimmt ein Schnapsglas und steigt auf eine Leiter. Es folgt der Spruch:

„Ich bin die Leider nuffgestiehe und steih es ach widder nunner.
Doch wenn dies GlÀsschen nicht zerbricht, feihern wir unsere Kirchweih nicht
“.

Dann trinkt er das GlĂ€schen aus und wirft es zu Boden. Anschließend steigt er wieder runter und ruft:

„Im Osten geht die Sonne auf, im Westen geht sie unter. […] Dick is de Stempel a noi muss er doch“.
Es folgt das Kerblied und ein „Wem is die Kerb?“ und die Borsche rufen lauthals „UNSER!“.

Die Kerb ist nun offiziell eröffnet!

Im Anschluss findet ein geselliges Beisammensein in der Kerbzentrale statt.

Taufe der Kerbbobb

Die namenlose Kerbbobb erhĂ€lt wĂ€hrend der Kerbansprache ihren angedachten Namen. Diese Taufe ĂŒbernimmt der Kerbparre. Ab diesem Zeitpunkt wacht die Kerbbobb hoch ĂŒber dem Kerbplatz ĂŒber das Kerbtreiben.

Einsegnung

Mit der Einsegnung bringt der Kerbparre seinen Segen aus. Dies kann wĂ€hrend der Kerb jederzeit stattfinden, meist jedoch nur wĂ€hrend der offiziellen Ansprachen. Dazu benötigt er sein „Weihwerkzeug“. Ein mit Wasser gefĂŒllter Eimer, und eine Kloberscht (Offiziell die aal Berscht vum Grottewirt.

„Der Hutmacher behĂŒte Euch
Der Schirmmacher beschirme Euch
Der GeschĂŒtzmacher beschĂŒtze Euch
Der Hund hebe das linke Bein und gebe die heilige Taufe“

 

img_1001_lowres

Der Parre besprenkelt unter Aufsagung der alten Weisheiten die zu segnenden Personen.

FrĂŒhstĂŒck einholen

Angelehnt an eine schöne Sage lĂ€uft in Dietzenbach die Zischeunern am Kerbsamstagmorgen mit den Kerbborschen durch die Altstadt. Dort erbettelt sie das FrĂŒhstĂŒck fĂŒr sich und „ihre Kinnern“

20141101_104620_lowres

Kneiptour

Die Dietzenbacher Kerb ist traditionell eine „Kneipenkerb“. Wahrscheinlich aufgrund des meist nasskalten Wetters im November haben unsere Ahnen diese Art des Feierns gewĂ€hlt. In fast allen Wirtschaften des Ortes wurde die Kerb gefeiert und einige Wirte stellten ihre Kneipe den jungen StammgĂ€sten als Kerbkneipe zur VerfĂŒgung. Es gab Kerbborsche von der Linde, von der MilchkĂŒsch, vom Löwen und so weiter. Diese Kerbborschegemeinschaften hegten doch eine gewisse RivalitĂ€t gegeneinander und besuchten sich gegenseitig in ihren WirtshĂ€usern. Es gab Wettsingen, Wetttrinken und wahrscheinlich einiges, was wir gar nicht wissen wollen. Heutzutage sind die WirtshĂ€user rar geworden. Nichtsdestotrotz halten die Kerbborsche an diesem Ritual fest. Sie ziehen am spĂ€ten Samstagnachmittag mit guter Laune, Bembel, Fahne und vielen Liedern von Kneipe zu Kneipe. Dort stecken sie mit ihrer Feierlaune die anderen GĂ€ste an.

SĂ€ngerfrĂŒhschoppen

Am Montagmorgen treffen sich die SĂ€nger der Dietzenbach Chöre zu ihrem KerbfrĂŒhschoppen. Manchmal feiern sie alle gemeinsam, manchmal auch getrennt. Der Kerbverein hat dazu die Chöre in den letzten Jahren in die Kerbzentrale oder andere passende RĂ€umlichkeiten eingeladen. Sie singen die alten Lieder, die sonst nirgendwo zu hören sind. Dazu gibt es leckere Mettbrötchen, Hering mit Quelldene und natĂŒrlich viele gute Sachen, um die Stimmen zu ölen.

img_3492_lowres

Es gibt kaum eine andere Zusammenkunft in Dietzenbach, wo sich alte und junge Menschen zum Singen, Essen und Trinken so nah kommen und gemeinsam ihren Spaß haben.

Kerbschoppen im Gemeindehaus

Am Kerbdienstag, dem letzten Kerbtag, veranstaltet die Christusgemeinde, also die Gemeinde unseres „Geburtstagskinds“, im Gemeindehaus ihren Kerbschoppen. Viele Menschen versammeln sich dort zum leckeren Hackbraten und erfrischenden GetrĂ€nken.

img_8576_lowres

Kerbverbrennung mit Grabrede und Leichenschmaus

Am Dienstagabend wird das offizielle Ende der Kerb zelebriert. Die Kerbborsche haben mittlerweile die Kerbbobb vom Kerbbaum geholt oder von Dieben ausgelöst.

img_3972_lowres

Der Kerbparre trĂ€gt die Grabrede vor. Dabei wird er die Geschehnisse der Kerb erzĂ€hlen und segnet die neuen Kerbborsche ein. Nach der Grabrede wird die Kerbbobb mit den Fackeln entzĂŒndet. Die KerbhĂŒte werden abgenommen und eine tiefe Trauer ĂŒberkommt alle anwesenden. WĂ€hrend die Kerbbobb in Rauch aufgeht, singen alle Anwesenden das Kerblied. Im Anschluss legen die Kerbborsche ihre HĂŒte und SchĂ€rpen ab. Jetzt sind sie „Alt“-Kerbborsche.

Parre Zottel – 2015